Umlage drauf, Steuern runter: Was die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas bedeutet
\r\nDie Gasumlage soll Energieimporteure am Leben halten - daf\u00fcr zahlen Gasverbraucher drauf. Mit der Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollen erh\u00f6hte Beschaffungskosten von Importeuren ausgeglichen werden, um diese vor der Pleite und das Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Auf die Steuereinnahmen aus der Umlage w\u00fcrde die Bundesregierung gern verzichten - darf es aber aus europarechtlichen Gr\u00fcnden nicht. Stattdessen k\u00fcndigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag einen weitreichenden Schritt an.
\r\nWas genau plant Scholz?
\r\nWegen der hohen Energiepreise soll die Mehrwertsteuer auf den gesamten Gasverbrauch - also nicht nur die Umlage - f\u00fcr eine Weile von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Das soll laut Scholz so lange gelten, wie die Gasumlage erhoben wird, also bis Ende M\u00e4rz 2024. Die 7 Prozent sind der \u00fcbliche erm\u00e4\u00dfigte Mehrwertsteuersatz, der auf Waren der Grundversorgung, also etwa Brot, Butter oder Kartoffeln, aber auch auf B\u00fccher und Theaterkarten anf\u00e4llt.
\r\nWas bedeutet das f\u00fcr die Gasrechnung der Verbraucher?
\r\nWieviel sie sparen, h\u00e4ngt von mehreren Faktoren ab, unter anderem vom Gasverbrauch und vom Preis, zu dem man seinen Vertrag beim Lieferanten abgeschlossen hat. Scholz versprach dennoch pauschal: \u00abMit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich st\u00e4rker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, betr\u00e4gt.\u00bb Die Rechnung dahinter erkl\u00e4rte die Bundesregierung auf Nachfrage zun\u00e4chst nicht.
\r\nVergleichsportale kamen allerdings zu einem anderen Schluss: Laut Check24 und Verivox zahlt man mehr f\u00fcr die Gasumlage als man beim aktuellen Gaspreis durch die Steuersenkung spart: \u00abDie Mehrwertsteuersenkung gleicht die Kosten der Gasbeschaffungsumlage damit nicht aus.\u00bb
\r\nIst sicher, dass die Entlastung auch bei den B\u00fcrgern ankommt?
\r\nNein, denn Lieferanten sind nicht verpflichtet, die Steuersenkung an ihre Kunden weiterzureichen. Scholz betonte: \u00abWir erwarten von den Unternehmen, dass sie diese Senkung eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.\u00bb Wirtschaftsminister Robert Habeck (Gr\u00fcne) \u00e4u\u00dferte sich \u00e4hnlich. Die FDP forderte Habeck auf, die Energieversorger in die Pflicht zu nehmen.
\r\nWarum \u00fcberhaupt erst belasten, um dann wieder zu entlasten?
\r\n\u00abEs ist widerspr\u00fcchlich, Gaspreise erst durch eine Umlage zu erh\u00f6hen und sie dann durch eine Umsatzsteuersenkung wieder zu verbilligen\u00bb, sagte Ifo-Pr\u00e4sident Fuest. Sein Kollege vom Deutschen Instituts f\u00fcr Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warf die gleiche Frage auf. \u00abDie Bundesregierung gibt an, die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer kompensiere die h\u00f6heren Kosten durch die Gasumlage\u00bb, schrieb er auf Twitter. \u00abFrage: Wieso tr\u00e4gt die Bundesregierung die Gasumlage dann nicht selbst und spart sich viel zus\u00e4tzlicher B\u00fcrokratie und Unsicherheit?\u00bb
\r\nSetzt das die richtigen Anreize?
\r\nEinerseits sollen die B\u00fcrger Energie und insbesondere Gas sparen, andererseits will die Bundesregierung nun den Gaspreis dr\u00fccken - was ein gegenteiliges Signal setzt. \u00abDie Mehrwertsteuer sollte in voller H\u00f6he erhoben werden, um die \u00f6kologische Lenkungswirkung der Gasumlage zu maximieren und uns unabh\u00e4ngiger von russischem Gas zu machen\u00bb, sagte der Energieexperte des RWI-Leibniz-Institutes, Manuel Frondel, der \u00abRheinischen Post\u00bb.
\r\nWer profitiert am meisten?
\r\nBesserverdiener, sagen \u00d6konomen. \u00abDa mit der Mehrwertsteuer jede verbrauchte Kilowattstunde Gas billiger wird, werden - in Euro gerechnet - jene mehr entlastet, die auch mehr Gas verbrauchen. Das sind vor allem Haushalte mit h\u00f6heren und hohen Einkommen\u00bb, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts f\u00fcr Makro\u00f6konomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-B\u00f6ckler-Stiftung, Sebastian Dullien. Besser w\u00e4re aus seiner Sicht ein Preisdeckel f\u00fcr einen Grundverbrauch an Gas gewesen, oberhalb dessen der Gasverbrauch teurer w\u00fcrde - was wiederum einen Anreiz zum Sparen b\u00f6te. DIW-Pr\u00e4sident Fratzscher spricht von \u00abHilfen per Gie\u00dfkannenprinzip, von denen Menschen mit hohen Einkommen den gr\u00f6\u00dften Teil der Hilfen bekommen\u00bb.
\r\nWie viel kostet die Steuersenkung den Staat?
\r\nDas Finanzministerium rechnet f\u00fcr das Winterhalbjahr von Oktober 2022 bis Ende M\u00e4rz 2023 mit Kosten von knapp f\u00fcnf Milliarden Euro. Weiter k\u00f6nne man noch nicht vorausblicken, da sich Gaspreis und -verbrauch zu volatil entwickelten, hie\u00df es.
Ist die Steuersenkung jetzt schon beschlossen?
Auf welche Waren der erm\u00e4\u00dfigte Mehrwertsteuersatz anf\u00e4llt, regelt Paragraf 12 des Umsatzsteuergesetzes. Um dieses zu \u00e4ndern, sind Beschl\u00fcsse von Bundestag und Bundesrat n\u00f6tig. Die L\u00e4nder sprechen mit, weil ein Teil der Mehrwertsteuer-Einnahmen an sie flie\u00dft.
\r\nIst das die einzige Entlastung oder kommen weitere?
\r\nScholz spricht von einem weiteren Schritt zur Entlastung. Es soll aber noch mehr kommen. \u00abIn den n\u00e4chsten Wochen werden wir ein drittes Entlastungspaket schn\u00fcren, um den gro\u00dfen Druck, der auf vielen B\u00fcrgerinnen und B\u00fcrgern, aber auch Unternehmen lastet, abzumildern\u00bb, verspricht er. Wie das aussehe, werde \u00abvertrauensvoll in der Regierung\u00bb besprochen. Scholz betont, es m\u00fcsse gerecht zugehen. Zuletzt hatte er auch gesagt, vor allem die Menschen entlasten zu wollen, die Gefahr laufen, ihre Rechnungen bald nicht mehr zahlen zu k\u00f6nnen.
\r\nQuelle: Tageskarte.io (Umlage drauf, Steuern runter: Was die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas bedeutet, 19.08.2022)
", "datePublished": "2022-08-21T11:47:42+02:00", "headline": "Erdgas - Knappheit, Umlage, Steuern | die wichtigsten Informationen zusammengefasst" }Tageskarte informiert am 19. August 2022
Umlage drauf, Steuern runter: Was die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas bedeutet
Die Gasumlage soll Energieimporteure am Leben halten - dafür zahlen Gasverbraucher drauf. Mit der Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde sollen erhöhte Beschaffungskosten von Importeuren ausgeglichen werden, um diese vor der Pleite und das Energiesystem vor dem Kollaps zu bewahren. Auf die Steuereinnahmen aus der Umlage würde die Bundesregierung gern verzichten - darf es aber aus europarechtlichen Gründen nicht. Stattdessen kündigte Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag einen weitreichenden Schritt an.
Was genau plant Scholz?
Wegen der hohen Energiepreise soll die Mehrwertsteuer auf den gesamten Gasverbrauch - also nicht nur die Umlage - für eine Weile von 19 auf 7 Prozent gesenkt werden. Das soll laut Scholz so lange gelten, wie die Gasumlage erhoben wird, also bis Ende März 2024. Die 7 Prozent sind der übliche ermäßigte Mehrwertsteuersatz, der auf Waren der Grundversorgung, also etwa Brot, Butter oder Kartoffeln, aber auch auf Bücher und Theaterkarten anfällt.
Was bedeutet das für die Gasrechnung der Verbraucher?
Wieviel sie sparen, hängt von mehreren Faktoren ab, unter anderem vom Gasverbrauch und vom Preis, zu dem man seinen Vertrag beim Lieferanten abgeschlossen hat. Scholz versprach dennoch pauschal: «Mit diesem Schritt entlasten wir die Gaskunden insgesamt deutlich stärker, als die Mehrbelastung, die durch die Umlagen entsteht, beträgt.» Die Rechnung dahinter erklärte die Bundesregierung auf Nachfrage zunächst nicht.
Vergleichsportale kamen allerdings zu einem anderen Schluss: Laut Check24 und Verivox zahlt man mehr für die Gasumlage als man beim aktuellen Gaspreis durch die Steuersenkung spart: «Die Mehrwertsteuersenkung gleicht die Kosten der Gasbeschaffungsumlage damit nicht aus.»
Ist sicher, dass die Entlastung auch bei den Bürgern ankommt?
Nein, denn Lieferanten sind nicht verpflichtet, die Steuersenkung an ihre Kunden weiterzureichen. Scholz betonte: «Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie diese Senkung eins zu eins an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben.» Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich ähnlich. Die FDP forderte Habeck auf, die Energieversorger in die Pflicht zu nehmen.
Warum überhaupt erst belasten, um dann wieder zu entlasten?
«Es ist widersprüchlich, Gaspreise erst durch eine Umlage zu erhöhen und sie dann durch eine Umsatzsteuersenkung wieder zu verbilligen», sagte Ifo-Präsident Fuest. Sein Kollege vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, warf die gleiche Frage auf. «Die Bundesregierung gibt an, die finanzielle Entlastung durch die geringere Mehrwertsteuer kompensiere die höheren Kosten durch die Gasumlage», schrieb er auf Twitter. «Frage: Wieso trägt die Bundesregierung die Gasumlage dann nicht selbst und spart sich viel zusätzlicher Bürokratie und Unsicherheit?»
Setzt das die richtigen Anreize?
Einerseits sollen die Bürger Energie und insbesondere Gas sparen, andererseits will die Bundesregierung nun den Gaspreis drücken - was ein gegenteiliges Signal setzt. «Die Mehrwertsteuer sollte in voller Höhe erhoben werden, um die ökologische Lenkungswirkung der Gasumlage zu maximieren und uns unabhängiger von russischem Gas zu machen», sagte der Energieexperte des RWI-Leibniz-Institutes, Manuel Frondel, der «Rheinischen Post».
Wer profitiert am meisten?
Besserverdiener, sagen Ökonomen. «Da mit der Mehrwertsteuer jede verbrauchte Kilowattstunde Gas billiger wird, werden - in Euro gerechnet - jene mehr entlastet, die auch mehr Gas verbrauchen. Das sind vor allem Haushalte mit höheren und hohen Einkommen», sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien. Besser wäre aus seiner Sicht ein Preisdeckel für einen Grundverbrauch an Gas gewesen, oberhalb dessen der Gasverbrauch teurer würde - was wiederum einen Anreiz zum Sparen böte. DIW-Präsident Fratzscher spricht von «Hilfen per Gießkannenprinzip, von denen Menschen mit hohen Einkommen den größten Teil der Hilfen bekommen».
Wie viel kostet die Steuersenkung den Staat?
Das Finanzministerium rechnet für das Winterhalbjahr von Oktober 2022 bis Ende März 2023 mit Kosten von knapp fünf Milliarden Euro. Weiter könne man noch nicht vorausblicken, da sich Gaspreis und -verbrauch zu volatil entwickelten, hieß es.
Ist die Steuersenkung jetzt schon beschlossen?
Auf welche Waren der ermäßigte Mehrwertsteuersatz anfällt, regelt Paragraf 12 des Umsatzsteuergesetzes. Um dieses zu ändern, sind Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat nötig. Die Länder sprechen mit, weil ein Teil der Mehrwertsteuer-Einnahmen an sie fließt.
Ist das die einzige Entlastung oder kommen weitere?
Scholz spricht von einem weiteren Schritt zur Entlastung. Es soll aber noch mehr kommen. «In den nächsten Wochen werden wir ein drittes Entlastungspaket schnüren, um den großen Druck, der auf vielen Bürgerinnen und Bürgern, aber auch Unternehmen lastet, abzumildern», verspricht er. Wie das aussehe, werde «vertrauensvoll in der Regierung» besprochen. Scholz betont, es müsse gerecht zugehen. Zuletzt hatte er auch gesagt, vor allem die Menschen entlasten zu wollen, die Gefahr laufen, ihre Rechnungen bald nicht mehr zahlen zu können.
Quelle: Tageskarte.io (Umlage drauf, Steuern runter: Was die Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas bedeutet, 19.08.2022)
Hoteliers haben mit den massiven Kostensteigerungen in vielen Bereichen zu kämpfen. Die Gasumlage verschärft bei den vielen mit Gasheizungen ausgestatteten Häusern die dramatische Lage weiter. AHGZ hat Hoteliers gefragt, wie sich die zusätzliche Kostensteigerung auswirkt, mit welchen Maßnahmen sie reagieren können und welche Forderungen sie an die Politik haben.
Lesen Sie HIER die Interviews mit Michael Altewischer, Geschäftsführer, Wellness-Hotels & Resorts GmbH, Düsseldorf, Jens Bernitzky, Direktor, Hotel Victory Therme Erding und Bertram Späth, Geschäftsleitung, Best Western Premier Hotel Victoria
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